Die politischen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts
vermittelten der Stadt neue Impulse. 1817 wurde an der Universität eine
Staatswissenschaftliche Fakultät - die erste in Deutschland - eingerichtet mit Friedrich List als Professor; im selben Jahr erhielt sie eine
Katholisch-theologische Fakultät; 1863 wurde in Tübingen als erster
deutschen Universität eine Naturwissenschaftliche Fakultät gegründet. Die Spezialisierung der alten Fächer und die Institutionalisierung
neuer Disziplinen zeigte sich am deutlichsten im Bereich der Medizin.
In der zweiten Jahrhunderthälfte ist Tübingen weit über das Provinzielle, wie es der Medizinischen Fakultät in den vergangenen Jahrhunderten anhaftete, hinausgewachsen: So nahm etwa von Tübingen aus
die Physiologische Chemie in Deutschland ihren Ausgang, der Botaniker Hugo Mohl begründete die moderne Zythologie.
Hand in Hand mit der Entstehung neuer Disziplinen und der Emanzipation einzelner Fächer und der immer stärkeren Hinwendung zur
praktischen klinischen Medizin ging eine rege Bautätigkeit und der
Aufbau eines neuen Klinikviertels nordöstlich der Stadt. Diesem Neubeginn am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts verdankt die Stadt auch ihren Ruf als Stadt der Dichter und Denker, als "Sedes Musorum", Sitz der Musen, als "Neckar-Athen".
Ludwig Uhland - Dichter, Gelehrter und Politiker -, Wilhelm Hauff, Gustav Schwab, Justinus Kerner, Eduard Mörike wurden weit über
die Grenze Württembergs hinaus bekannt. Der Tübinger Johann
Friedrich Cotta publizierte in seinem Verlag die Werke der deutschen
Klassiker.
Mit der Universität veränderte sich die Stadt. Die mittelalterlichen
'Tore wurden abgerissen, Stadterweiterungen folgten den Universitätsbauten: 1845 wurde in der "Ammervorstadt" an der Wilhelmstraße die
Neue Aula eingeweiht, 1861 fand Tübingen Anschluß an das Eisenbahnnetz. 1900 zählte man bei eintausend Studenten 15 000 Einwohner, 1925 bei 2500 Studenten 20 000 Bürger. Doch hielt sich die räumliche Ausweitung und die zahlenmäßige Vergrößerung der Einwohnerschaft verglichen mit anderen Städten in Grenzen, da industrielle Ansiedlungen fast gänzlich unterblieben.
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Denkmal Ludwig Uhlands
(Foto Stadtarchiv, Sinner 1/77)
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